Martin Eichler

13. Januar 2021

FRM-Trends 2021: Entdeckung des Mahn-Paradoxons

  • In unserer Reihe „FRM-Trends 2021“ fassen wir die wichtigsten Trends im digitalen Forderungsmanagement (FRM) zusammen.

Mehr denn je wird das Mahnwesen ein wichtiger Customer Touchpoint, mit dem man die durchschnittliche Kund*innenzufriedenheit überdurchschnittlich steigern kann (Mahn-Paradoxon). Schließlich gilt es besonders in Zeiten der Unsicherheit Kund*innen zu binden. Denn: die Kosten für die Neukund*innengewinnung sind fünfmal höher als für das Halten von Stammkund*innen.

Wer kennt es nicht: Man bekommt eine Rechnung per Brief, hat gerade keine Zeit für die Überweisung und legt sie zu den anderen „To Dos“. Weil man gerade unter Wasser ist oder es einfach vergisst, erledigt man auch die Überweisung nicht. Dann ein paar Tage oder Wochen später kommt die 1. Mahnung. Genau so ist es mir vor Weihnachten passiert.

Ich hatte etwas in einem E-Commerce-Shop auf Rechnung gekauft und nicht bezahlt. Das Produkt war längst da und ich war verärgert über die Mahnung: „Das kann doch gar nicht sein!“ Und schon ist schlechte Stimmung im Spiel. Ich war irritiert und auch ein bisschen genervt, obwohl es fairerweise meine eigene Schuld war.

Je komplizierter der Prozess, desto mehr Lazy-Payer

Ein Großteil der Kund*innen (rund 60 %), die Rechnungen oder auch Mahnungen bei einer geplatzten Lastschrift nicht zahlen, sind das, was ich auch bin: Lazy Payer. Zu vercheckt oder zu busy, um sofort zu bezahlen. Vor allem, weil der Prozess mühsam ist: Webseite der Bank öffnen, einloggen, die nervige 22-stellige IBAN eintragen, den Verwendungszweck ergänzen usw. Und dieser beschwerliche Prozess führt nicht nur zu einer vergleichsweise schlechten Collection Rate, sondern auch zu einer negativen Stimmung gegenüber dem E-Commerce-Shop. 

Was viele vergessen: Rechnungen und auch Mahnungen sind wertvolle Kund*innen-Interaktionen. Ein Touchpoint mit Kund*innen, den man auch nutzen kann – ich gehe noch weiter – nutzen muss, z. B. um zufriedenere Kund*innen zu bekommen. Nur, Sie fragen sich: Wie soll das gehen?

Zahlungserinnerungen als wichtiger Customer Touchpoint

Ich möchte eine Hypothese aufstellen: Kund*innen, die eine Mahnung bekommen, sind im Schnitt zunächst unzufriedener als alle anderen Kund*innen. Kund*innen, die dann in einem einfachen und schnellen, digitalen Prozess die offene Forderung zahlen und damit das Problem aus der Welt schaffen können, sind letztlich zufriedener als der Durchschnitt. Das gute Gefühl der Erleichterung, nachdem man etwas Nerviges erledigt hat, ist den Meisten vermutlich bekannt. 

Vielleicht hat man auch eine Rückfrage oder kann aus welchen Gründen auch immer die Forderung jetzt gerade nicht begleichen und möchte z. B. in Raten zahlen. Wenn auch hier schnell und digital Abhilfe geschaffen wird (ohne 20 Minuten in der Callcenter-Schleife zu hängen), dann ist den Kund*innen geholfen und sie sind zufrieden.

Mahn-Paradoxon: überdurchschnittlich hohe Zufriedenheit trotz und durch Mahnungen

Dieses Phänomen möchte ich das Mahn-Paradoxon nennen – in Anlehnung an das Beschwerde-Paradoxon*. Zur Erinnerung: es besagt, dass unzufriedene Kund*innen, deren Beschwerde ausgezeichnet behandelt wurde, letztlich zufriedener sind als solche, die ihre Erwartungen von vornherein erfüllt sahen

Zurück zum Mahn-Paradoxon: wer Kund*innen hilft, egal wo die im Prozess gerade feststecken, wird zufriedene Kund*innen haben. Kund*innen, die vielleicht sogar das Unternehmen weiterempfehlen und die dann auch eben nicht zum Wettbewerb gehen: Und das ist allemal günstiger, als neue Kund*innen zu akquirieren! 

Ich hab’ die überfällige Rechnung bei dem E-Commerce-Shop auf die Papier-Mahnung hin schnell bezahlt, aber ich habe mich geärgert über den für mich mühsamen Mahnprozess. Beim nächsten Mal werde ich bei diesem E-Commerce-Shop vermutlich nicht mehr einkaufen. 

Ich würde mich über Ihre Erfahrungen oder Kommentare dazu freuen! 

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Vielen Dank!

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*McCollough, M. A.: The Recovery Paradox: A Conceptual Model and Empirical Investigation of Customer Satisfaction and Service Quality Attitudes after Service Failure and Recovery, College Station 1995.